Die Geologie der Breitachklamm

Die Gesteine in der tiefsten Felsschlucht Mitteleuropas

Der Schrattenkalk aus der Kreidezeit prägt als Gipfel- und Wandbildner die Landschaft des Oberallgäus. Vor etwa 125 Millionen Jahren entstand dieser Kalkstein im Bereich eines flachen Schelfmeeres am Südrand des europäischen Kontinents. Kalkige Überreste von Muscheln, Korallen, Moostierchen, Schwämmen sowie Seelilien und anderen Organismen wurden zu über 100 Meter mächtigen, vielfach dickbankigen Kalksteinlagen verkittet. Diese Schichten liegen eingebettet zwischen weniger widerstandsfähigen Gesteinen wie Mergel- und Sandsteinen. Tektonisch gehört diese Abfolge zur Deckeneinheit des Helvetikums. Die Gesteine wurden während der Alpenfaltung in große, west-ost-verlaufende Falten gelegt und sind im Bereich der Breitachklamm zu einem tektonischen Sattel, der Engen-Kopf-Antiklinale, aufgewölbt. Am Nordausgang der Klamm findet sich eine weitere kleine Sattelstruktur.

Entstehung der Klamm

Das heutige Kleinwalsertal entstand im Quartär durch Gletscher- und Flusserosion. Vor etwa 20.000 Jahren bedeckte ein 700 Meter mächtiger Gletscher das Gebiet, der nach seinem Abschmelzen ein glazial geformtes Trogtal hinterließ. Dieses Tal mündet mit einer Stufe in das Illertal bei Oberstdorf. Seit dem Abschmelzen des Eises hat sich die Breitach, die sämtliche Schmelz- und Niederschlagswässer aus dem Kleinwalsertal sammelt, aufgrund ihres starken Gefälles tief in den Untergrund eingegraben. In den weicheren, leichter zu erodierenden Gesteinen oberhalb und unterhalb der Klamm bildeten sich v-förmige Kerbtäler. Im Bereich des harten Schrattenkalks schuf der Fluss eine Klamm mit fast senkrechten Wänden. Der zentrale und beeindruckendste Teil der Klamm wird als „der Zwing“ bezeichnet. Hier rauscht das Wasser zwischen fast 90 Meter hohen Felswänden hindurch, die stellenweise nicht mehr als zwei Meter voneinander entfernt sind. Die Klamm folgt steilstehenden Störungen, an denen das Gestein durch tektonische Bewegungen bereits geschwächt war.

Geologische Besonderheiten in der Klamm

Die Breitachklamm durchschneidet den Kern aus Schrattenkalk des Engen-Kopf-Sattels. Nur an den Enden der Klamm finden sich jüngere Kreidegesteine. Die Struktur des Sattels ist deutlich durch den Wechsel des Schichteinfallens erkennbar. Besonders im Sattelscheitel, der Umbiegung der Schichten kurz bevor die Breitach in den Zwing eintritt, zeigen zahlreiche Störungen, dass die Gesteine stark mechanisch beansprucht wurden. Zahlreiche Strudeltöpfe im Bachbett und Kolkmarken an den Klammwänden zeugen von der schleifenden Wirkung des im Wasser mitgeführten Materials und deuten auf das junge Alter der Klamm hin. Frostsprengung und Unterspülung haben die Klamm in den tieferen Teilen noch nicht wesentlich verändert. Es gibt jedoch Anzeichen für einen Vorgänger der Klamm: Im Bereich des Sattelscheitels ist an der westlichen Wand weit oberhalb des heutigen Klammbodens ein älterer, etwas breiterer Klammteil erhalten.

Der Felssturz von 1995

Im Herbst 1995 brachen mehrere tausend Kubikmeter Gestein aus der westlichen Felswand des Sattelscheitels heraus und stürzten in die Klamm. Dieser Felssturz blockierte das Flussbett mehrere Meter hoch und staut die Breitach zu einem See auf. Während der Schneeschmelze im folgenden Frühjahr brach der Damm, und eine Flutwelle, die im Engbereich der Klamm bis zu 35 Meter hoch erreichte, verwüstete den Klammweg.